"The Pilgrimage"
(nach „La Peregrinación“ des südamerikanischen Komponisten Ariel Ramirez)
Arne Jansen, Anders Jormin und Uwe Steinmetz, allesamt musikalische Grenzgänger zwischen verschiedenen Musikkulturen und Genres, traten erstmals zusammen im Herbst 2016 bei einem Festival in Göteborg auf und fühlten sich sofort durch ihre Liebe zu den ausdrucksstarken lyrischen Qualitäten ihrer Instrumente in der gemeinsamen Improvisation verbunden.
Die vorliegende Aufnahme stellt diese melodische Kraft mit Eigenkompositionen aus ihren musikalischen Lebenswelten ins Zentrum. So begegnen sich nordischer Jazz, Folklore und Popmusik, afrikanische Musik und Kunstmusik verschiedener Kulturen. Dabei inspirieren die Geschichten hinter diesen Klängen und Klangwelten die gemeinsame musikalische Erzählung jeden Abend neu, oder wie Sonny Rollins es auf den Punkt bringt: "Jazz is life".
Im Oktober 2022 spielten die drei Musiker eine Tournee vor allem in Kirchen und großen Sälen. Das letzte Konzert in der Waldkirche am Timmendorfer Strand wurde von Arne Schumann aufgenommen. Die drei Musiker freuen sich bereits jetzt sehr auf eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit und diese Aufnahme live zu präsentieren. Die kammermusikalische Musik passt hervorragend in große Räume, Kirchen und zu genreübergreifende Festivals.
Aufgenommen von Arne Schumann in der Waldkirche am Timmendorfer Strand am 22. Oktober 2022.
Mix Februar 2023 von Arne Schumann.
PRESSETEXT VON JOSEF ENGELS
Man muss es als eine glückliche Fügung des Himmels bezeichnen, dass diese drei Musiker zusammengefunden haben: Am Kontrabass der Schwede Anders Jormin, einer der wichtigsten Tieftöner der europäischen Jazz-Szene mit acht Alben als Bandleader für ECM und einer prallvollen künstlerischen Vita mit Touren und Aufnahmen an der Seite von Legenden wie Elvin Jones, Albert Mangelsdorff, John Taylor, Joe Henderson, Lee Konitz oder Kenny Wheeler. An der Gitarre Arne Jansen, der zweifach mit dem „ECHO Jazz“ ausgezeichnete Berliner, der mit dem senegalesischen Orchestra Baobab, dem Cellisten Stephan Braun oder Jazzanova spielte und dessen Duo-Aufnahme mit Nils Wülker unlängst sogar auf Platz 15 der deutschen Pop-Charts kletterte. Am Saxofon der ebenfalls in Berlin lebende Uwe Steinmetz, der sich neben seiner Zusammenarbeit mit u.a. Joe Maneri oder Tord Gustavsen einen Namen als Komponist für die NDR Bigband oder das Fitzwilliam String Quartet machen konnte.
Erstmals trat das deutsch-schwedische Trio 2016 in der Kathedrale in Göteborg im Rahmen eines nordischen Kirchenmusikfestivals auf. Sofort war klar, dass es eine spezielle Verbindung zwischen den drei Musikern gibt. Eine in dieser Form nicht oft zu beobachtende Gleichgestimmtheit, die auch die gemeinsame Tournee des Trios im Herbst 2022 prägte – und im besonderen Maße das Abschlusskonzert in der Waldkirche am Timmendorfer Strand am 22. Oktober.
Nicht umsonst trägt das aus dem Live-Mitschnitt entstandene Album nun den Titel „The Pilgrimage“. Zum einen, weil es mit „La Peregrinacion“ beginnt, einem Pilgerlied des Argentiniers und „Misa Criolla“-Komponisten Ariel Ramirez. Zum anderen, weil Jansen, Jormin und Steinmetz in ihren zwischen Jazz, Klassik, nordischer und außereuropäischer Folklore wandelnden Stücken den Urgründen eines universellen menschlichen Phänomens nachspüren. „Pilgerfahrten sind Bestandteil aller großen Religionen in der Welt“, sagt Bassist Jormin. „Ich denke, als Musiker ist es dein Ziel, Kontakt zu diesem tieferen Sinn herzustellen. Im besten Fall ist man ein Gefäß dafür, ein Resonanzboden, der mit dem Publikum und den anderen Musikern schwingt“, ergänzt Gitarrist Jansen.
Dass es dem Trio auf „The Pilgrimage“ so hervorragend gelingt, das Innere der Zuhörenden zum Klingen zu bringen, liegt auch an der speziellen Beschaffenheit der gespielten Kompositionen. Hinter jedem Stück verbirgt sich eine höchst persönliche Geschichte, die die Weltläufigkeit der drei Musiker reflektiert. Das gilt im besonderen Maße für den Berliner Saxofonisten Steinmetz, auf dessen Initiative sich das Trio 2016 formierte. Steinmetz ist ein unermüdlicher Wanderer auf der Suche nach den Verbindungslinien zwischen sakraler Musik und dem Jazz, dessen Studien ihn praktisch einmal rund um die Welt geführt haben. Von ihm stammt unter anderem das auf einem Morgen-Raga basierende „The Promise“, das unter dem Eindruck eines Indien-Aufenthalts entstand, und das ostinat tänzelnde „New Flower“. Letzteres schrieb Steinmetz, als er 2008 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba unterrichtete und das Gefühl von Optimismus in einem Land einfangen wollte, das schon bald in Bürgerkriegsunruhen versinken sollte. „Dieses Stück erinnert mich daran, wie wichtig es ist, den Moment zu feiern“, erklärt der Komponist, der bei der Live-Darbietung der Nummer ausgesprochen intensive Linien auf seinem Sopran bläst.
Die Wurzeln von „He Who Counts the Stars“ aus der Feder Jansens liegen wiederum in Usbekistan. Die ätherisch schwebende Klangerzählung wurde von dem im 15. Jahrhundert erbauten Observatorium von Ulug Beg inspiriert, das der Berliner Gitarrist während einer Konzerttour nach Samarkand besucht hatte. Gleichzeitig stand bei der Entstehung der Komposition auch der Este Arvo Pärt Pate, dessen musikalische Auseinandersetzungen mit der Liturgie das Spiel des Trios einfärben wie ein durch ein buntes Kirchenfenster dringender Frühlingssonnenstrahl. Dem soulig-gospeligen „Deep Wood“ liegt ebenfalls eine besondere Geschichte zugrunde: der unverhoffte Besuch der Wallfahrtskirche Madonna d’Ongero in den Wäldern über Lugano, die den Hermann-Hesse-Fan Jansen als einer der Schauplätze von „Klingsors letzter Sommer“ tief berührte.
Die Stücke, die der Mann am Bass mit ins Trio-Repertoire brachte, zeugen von den immensen Erfahrungen, die Anders Jormin während seiner 50 Jahre währenden Karriere an der Seite von Künstlern wie Don Cherry, Bobo Stenson oder Charles Lloyd machen durfte. Das nordkoreanische Volkslied „Red Flower“ lernte Jormin bei einer Konzertreise nach Pjöngjang kennen, als es ihm eine schüchterne Museumswärterin vorsang. „Ich versuche, es auf dem Bass nachzusingen“, beschreibt Jormin bescheiden seine Nachempfindung des Songs auf „The Pilgrimage“, die – wie der ganze Auftritt – von seiner phänomenalen Tongestaltung auf dem Bass geprägt wird. Auch mit Krzysztof Komedas „Sleep Safe And Warm“ verbindet Jormin prägende Erinnerungen. Er habe die Ballade regelmäßig an der Seite des Trompeters Tomasz Stanko gespielt, erzählt der Schwede. Bei Konzerten in der polnischen Heimat des viel zu früh verstorbenen Komeda habe das Stück regelrechte Gefühlsexplosionen im Publikum ausgelöst.
„Ich würde sagen, dass ich in meiner künstlerischen Existenz immer nach Musik gestrebt habe, die spirituell ist. Ich möchte mich in meiner Arbeit dem Geist, der Wärme und der Menschlichkeit widmen“, sagt Jormin. Besser lässt sich das Credo dieses außergewöhnlichen Trios nicht auf den Punkt bringen.
ANDERS JORMIN
"The sound he gets, the fills he executes, his soloing ability in and out of chord changes is amazing. For me he is one of the world´s greatest bassists."
(Dave Liebman)
"Jormin is a treasure - everything a bassist should be"
(DownBeat, USA)
"Formidable Jormin´s mastery came through in his solointroductions. He is one of the finest living jazzbassists, whose instrumental command and intonation are so seamless, he makes it look easier than it is. He is a virtuoso, but deep, natural musicality prevents him from grandstanding".
(Los Angeles Times)
Anders Jormin tourte und nahm mit vielen Jazzlegenden auf, unter anderem Gilberto Gil, Lee Konitz, Elvin Jones, Joe Henderson, Don Cherry, Charles Lloyd, Mike Mainieri, Joe Lovano und Jack deJohnette, aber auch Kenny Wheeler, Albert Mangelsdorff, Tomasz Stanko, Dino Saluzzi, John Surman, John Taylor, Marilyn Mazur, Arve Henriksen, Mark Feldman, Paul Motian, Joey Baron, Tom Rainey, Jon Balke, Vertavo string quartet, Ann-Sofi von Otter, Norma Winstone und Marilyn Crispell.
Anders komponiert zudem für Chöre und Orchester, beschäftigt sich intensiv mit verschiedenen Weltmusikkulturen und lehrt an der Hochschule in Göteburg und der Sibelius Akademi Helsinki. Anders tritt regelmäßig in ganz Europa, den USA/Kanada und Japan auf, hat aber auch für kürzere Zeiträume in Kuba und Mosambique traditionelle Musik gespielt und studiert. Zurzeit ist er Mitglied des Bobo Stenson Trios und der schwedischen Gruppe “dr Dingo. -> Anders Jormin´s homepage bei ECM.
ARNE JANSEN
"Endlich! Den Blick gen Himmel gerichtet, ist man versucht, einen Aufschrei der Erleichterung auszustoßen. Einen Jazzgitarristen vom Format des Berliners Arne Jansen hat es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Vielleicht noch nie.“ Jazzthetik, Wolf Kampmann
„Arne Jansen schafft einen erzählerischen, warmen Jazzsound, dem Ohr und Kopf gerne folgen.“ Jazzthing
„Einer der besten Jazzgitarristen.“ Fono Forum
Inspiration findet der 1975 geborene Arne Jansen gleichermaßen in Jazz wie in Rock- und Popmusik. Während seines Studiums der Jazzgitarre an der Universität der Künste in Berlin (1996-2001) erhielt Jansen Unterricht bei Pat Metheny, John Abercrombie, Philip Catherine und Mick Goodrick. Zwischen 1998 und 2000 war er Mitglied im Bundesjugendjazzorchester unter der Leitung von Peter Herbolzheimer. Mit seinem eigenen Trio, der Nils Wülker Group, mit David Helbock & Sebastian Studnitzky, dem senegalesischen Orchestra Baobab, der Live-Band von Matthias Schweighöfer oder in Duo-Projekten mit Katja Riemann gibt er regelmäßig Konzerte auf Festivals im In- und Ausland.
Er wurde 2014 und 2017 mit dem ECHO Jazz als „Bester Gitarrist National” ausgezeichnet. Beim Komponieren wie auch beim Improvisieren folgt Jansen stets lyrischen Motiven. Dabei handele es sich „weniger um einen bewussten Schaffensprozess als vielmehr um eine unbewusste Entdeckungsreise“, wie er konstatiert. Die Musik des Gitarristen ist das Abbild klanggewordener Menschlichkeit, die immer das Besondere im Alltäglichen sucht, Ruhe ausstrahlt und doch selbst nie zur Ruhe kommt, weil sie eben immer am Suchen ist. www.arnejansen.com